Post by Marc HaberPost by Martin GerdesDie IT-Menschen denken sich viel aus, wenn der Tag lang ist.
Diese Regeln müssen zu den Menschen passen, die sie anwenden sollen,
nicht andersherum.
Das ist leider richtig, und passt nicht nur für die Regeln, sondern
auch für die Systeme.
Post by Martin GerdesIch wechsele im Rahmem meiner Tätigkeit häufig den physischen
Arbeitsplatz. Es gibt in unserem Bereich etwa 8 gleich ausgestattete
Arbeitsplätze, in die ich jeweils gehe, meine Arbeit erledige und sie
dann wieder verlasse.
Und vermutlich auch mehr als eine Person mit diesem Arbeitsschema,
nehme ich an? Und die Daten, die angezeigt werden, sind besonders
schutzwürdig?
Hachja! Frag einen Juristen, der weiß das dann.
Post by Marc HaberPost by Martin GerdesIch brauche etwa drei Minuten, bis ich auf einem zum Anmeldeschirm
zurückgefahrenen Rechner meine normale Arbeitsumgebung mit meinen
Anmeldedaten habe. Diese Zeit mag tolerabel erscheinen, wenn man sie
einmal täglich zu Arbeitsbeginn durchführt. Muß man das allerdings drei
bis fünfmal pro Stunde machen, nimmt diese gering erscheinende Zeit
zusammengenommen einen zweistelligen Teil der Arbeitszeit in Anspruch.
Das ist natürlich völlig inakzeptabel. Man müsste hier die IT-Systeme
in einer Art bauen, dass (a) das Anmelden entweder ganz automatisch
oder beschleunigt stattfindet, z.B. durch Stecken einer Chipkarte und
Eingeben einer PIN, die man einhändig auf dem Zehnerblock einer
Tastatur tippen kann. Dann müsste das System mit einem *plopp* genau
die Bildschirmanzeige zeigen, die Du zwei Minuten vorher am
vorhergehenden Arbeitsplatz gesehen hast, als Du Deine Chipkarte
gezogen hast und dabei automatisch abgemeldet wurdest.
Ja :-)
Das soll seit einigen Jahren auch kommen. Ich rechne damit im Jahr 2123
oder so.
Post by Marc HaberOptional hat die Assistenz (oder ein Automatismus) während Deines
Arbeitsplatzwechsels bereits den Datensatz aufgerufen, den Du für
Deine nächsten Arbeitsschritte am nächsten Arbeitsplatz benötigst.
:-)
Hast Du schon einmal das Stichwort "Fachkräftemangel" gehört?
Bei uns ist seit Jahrzehnten der Stellenkegel unausgewogen (sprich: zu
wenig Hilfspersonal). Hilfspersonal kostet Geld, medizinisches Personal
kostet mehr Geld. Wo spart der Controller? Richtig: Beim Hilfspersonal,
denn das medizinische Personal ist ja eh da.
Post by Marc HaberDie für so eine Arbeitsweise notwendige Technologie ist seit über 20
Jahren verfügbar; dass sie Euch nicht zur Verfügung gestellt wird ist
Organisationsversagen des Arbeitgebers.
Ja :-)
Post by Marc HaberPost by Martin GerdesIch habe am Arbeitsplatz mehrere Programme zu nutzen, die alle ein
Kennwort von mir haben wollen.
Auch das ist für Deine Arbeitsweise inakzeptabel. Die Programme haben
sich beim Betriebssystem zu erkundigen, welcher Benutzer angemeldet
ist. Das ist auf allen gängigen Systemen sicher möglich.
Ja, aber bei uns halt nicht.
Nochn Dönecken?
Eins der Programme erfordert zwingend ein Komma zwischen Nach- und
Vornamen (als einzigen Whitespace). Ein anderes Programm findet den
Patienten nicht, wenn ein Komma zwischen Nach- und Vornamen eingegeben
wird. :-)
Das ist wohl ein Musterbeispiel für robuste Programmierung.
Post by Marc HaberPost by Martin GerdesPaßwortmanager ist nicht, alle Rechner, die ich in der Arbeit benutze,
sind quasi öffentlich. Ich habe die beiden Kennwörter nicht
aufgeschrieben, aber weil ich sie mir merken muß, sind sie bewußt keine
"starken Kennwörter". Und doch passiert es mir nach längeren
Abwesenheiten, etwa Urlauben, immer wieder, daß ich nicht mehr weiß,
welche Version des sich ändernden Kennworts denn nur die aktuelle ist.
Führende Sicherheitsexperten vertreten die Meinung, dass wir so darauf
konditioniert sind, auf unser Portemonnaie aufzupassen, dass ein
aufgeschriebenes Passwort im Portemonnaie "reasonably safe" ist.
An deinem Arbeitsplatz mag das eventuell nicht gehen, das sehe ich
ein.
Könnte hinkommen. Allerdings habe ich mein Portemonnaie am Arbeitsplatz
nicht am Mann. Das steckt in meiner Privatkleidung im Spind, aber ok,
dort sollte es dann wirklich sein, und von dort könnte ich es im
Bedarfsfall auch holen.
Post by Marc HaberPost by Martin GerdesWenn wir nur etwas nachlesen wollen, sind wir dankbar, wenn der Rechner
an der betreffenden Station bereits offen ist, und häufig sind sie das.
Auch ich lasse die Rechner bewußt offen, wenn ich den Arbeitsplatz
verlasse, weil die ständige Anmelderei einfach unglaublich lästig ist
und Zeit kosten, die ich eigentlich nicht habe.
Das ist aufgrund der besonders schutzwürdigen Daten, mit denen Du bei
deiner Arbeit umgehen musst bedauerlicherweise inakzeptabel.
Ja, ja.
Post by Marc HaberPost by Martin GerdesNeue Mitarbeiter werden beim Dienstantritt von der IT strengstens
belehrt, daß sie nur mit eigenen Konten arbeiten sollen und sie beim
Verlassen des Arbeitsplatzes den Rechner absperren sollen. Das machen
die dann auch im Durchschnitt drei Monate lang, bis sie mitbekommen
haben, daß das massiv unkollegial ist.
Massiv unkollegial sind diejenigen, die Dir diese für Deine Arbeit
untaugliche Arbeitsumgebung aufdrücken.
:-)
Post by Marc HaberPost by Martin GerdesWir ersticken noch einmal an unserem Streben nach "Sicherheit".
Und an der Faulheit unserer kostenoptimierten IT-Organisationen. Es
interessiert niemanden, dass ein auf der IT-Kostenstelle eingesparter
Tausender im Kernbusiness des Unternehmens das Zehnfache an
Ineffizienz kostet,
"eh da"
Post by Marc Haberunter anderem, deswegen weil diese Ineffizienz nicht so schön
aufsummierbar in einer Spalte des Entscheider-Excels landet. Das ist
ein unerträgliches Drama.
:-)
Willst Du mal graue Haare bekommen? Oder hast Du schon welche?
Unser Krankenhaussystem ist sagenhaft verbaut (unter Außerachtlassung
jeglicher Softwareergonomie) auf eine SAP-Datenbank aufgesetzt. Die
lokalen Menüs haben irgendwelche -oren im Haus gemacht ("Adaptoren"?
"Modifikatoren"? Ich habe das Wort mal gehört, kann es aber nicht
reproduzieren). Es gibt keinerlei für mich zugreifbare Dokumentation
dazu (und das Programm ist auch nicht selbsterklärend!), die Reaktion
auf Druck auf F1 ist üblicherweise "keine Reaktion". Fehlermeldungen
sind vorzugsweise übermäßig verbose verfaßt unter Außerachtlassung von
vom System vorgegebenen Stringlängen. Da kommt dann schon mal eine
Fehlermeldung wie etwa:
"Diese Eingabe ist in diesem Selektionsumfeld n" (sic!).
Eine solche Meldung läßt dann jeden Nutzer ratlos zurück. :-)
Gruselig, einfach gruselig.
Und dann natürlich die Protokollpflichten bezüglich der aufgewendeten
Zeiten: Ich mühe mich, meine eigentliche Arbeit zu erledigen, Handschuhe
an, die naturgemäß blutig werden. Hilfspersonal steht nicht zur
Verfügung. Können das die Kollegen denn nicht selber machen? Schließlich
bin ich beispielsweise nach 2 Stunden fertig (fix und!). Ich jammere
nicht, sondern halte es für allgemein üblich, daß Berufstätigkeit
anstrengend sein kann. Dennoch: Wenn man an der Kante der eigenen
Leistungsfähigkeit arbeitet, dann hat man sicherlich keinen Nerv dazu,
zwischendrin immer mal wieder die Handschuhe zu wechseln, damit man
einem bestimmte Zwischenzeit aufschreiben kann. Die lügt man dann
hinterher zusammen. Aber sobald sie im Rechner steht, ist sie juristisch
ein Dokument. Wer will kann Zwischenzeiten sekundengenau eingeben. Das
ist natürlich ein Mangel, Zehntelsekunden müssen es mindestens sein.
Schließlich setzt jeder seinen heimischen Wecker auch
zehntelsekundengenau.
:-)
Auch an solcherart Übergenauigkeit könnten wir mal ersticken. Die
Qualitätsmännitscher freuen sich aber über derlei Spielereien.