Post by Andreas M. KirchwitzSeit wann ist es eigentlich aus der Mode gekommen, dass man vorher
wenigstens grob prüft, was man einsetzt? Seit einer Weile wird oft
naiv von der Perfektion jedes Produkts ausgegangen.
Oh, ich bin mir sicher, dass die meisten, die das einsetzen, das ganz
gut geprüft haben. Bloß ist es halt während der Prüfphase zu keinen
Problemen gekommen. Wie bei den meisten Virenscannern. Und ich halte
auch weiterhin Crowdstrike nicht für schlechter als andere Virenscanner,
selbst wenn ich persönlich als höchstes der Gefühle den von Microsoft
einsetzen würde, aber wenn man schon einen third-party-Virenscanner
will, dann ist Crowdstrike sicher OK.
Und am ehesten hätte man da wohl prinzipielle Gründe vorbringen können:
Kerneltreiber von Drittanbieter einfach so laden ... den prinzipiellen
Gründen wird wohl meistens mit "aber große Firma XY verwendet es auch,
und hat X Personal einsparen können, und Y Vorfälle verhindert"
entgegengestellt, und bei den Entscheidern zieht das halt
dann oft mehr. Und zumindest ersteres dürfte ja meist stimmen, es haben
ja viele große und wichtige Firmen das Zeug eingesetzt.
Wie beim Verlagern von Workloads in die Cloud ist da halt auch der Druck
groß "mit der Zeit zu gehen", entsprechende dreibuchstabige oder
vierbuchstabige Abkürzungen im Unternehmen abgehakt zu haben, etc.
Post by Andreas M. KirchwitzFremde erhalten nicht nur vollen Zugriff auf Daten, sondern dürfen
diese Daten nach Herzenslust eigenmächtig verändern und eigenen Code
einspielen. Warum kommt das heutzutage niemandem mehr merkwürdig vor?
Nein, weil man den Fremden ja viel Geld zahlt ;)
Post by Andreas M. KirchwitzCrowdStrike mag ein Saftladen ein, aber die Betreiber der vielen
ausgefallenen Systeme scheinen mir die wahren Versager zu sein,
wenn sie es sogar extra so einrichten, dass irgendeine Bude von
extern sie jederzeit gegen die Wand fahren kann.
Naja, es ist de facto ein Virenscanner wie jeder andere. Ich kann mich
an mindestens 2-3 Vorfälle erinnern, wo ein Virenscannerupdate ganze
Netzwerke lahmgelegt hat. Lustigerweise war der CEO von crowdstrike
sogar CTO von McAffee bei genau so einem Vorfall:
https://www.golem.de/news/crowdstrike-ceo-nicht-zum-ersten-mal-ganze-unternehmensgruppen-lahmgelegt-2407-187257.html
Ich glaub micht aus einem früheren Job aber auch an einen Vormittag
erinnern zu können, wo alle Firmen mit Norton(?) mal kurz weg waren,
weil die was versemmelt gehabt haben.
Post by Andreas M. KirchwitzAber natürlich wird nun in erster Linie darüber diskutiert, wie man
CrowdStrike zur Verantwortung ziehen kann, Haftung, Schadenersatz,
Geldstrafe usw. Das ist einfacher, als den Fehler bei sich selbst
zu suchen und sich einzugestehen, dass man selbst versagt hat beim
Design seiner Infrastruktur.
Naja, das ist ja letztendlich das Versprechen von Crowsdsrike gewesen:
Ein rundum-sorglos-Sicherheitspaket zu sein. Vor ein paar Jahren hat es
mal die Situation gegeben, dass in irgendeiner österreichsichen Bank die
Schließfächer aufgebrochen worden sind, und etliche Kunden waren
etwas enttäuscht, dass die Dinger nur mit 3000-4000 Euro
Versicherungssumme versichert waren. So ähnlich ist es hier auch. Wenn
ich so einem Anbieter einiges an Geld zahle, dann erwarte ich schon,
dass er bei seinem Virusupdate vorher prüft, ob Windows-Rechner noch
booten, wenn man es einspielt. Vor Monaten haben die übrigens ein
ähnliches Problem mit Linux gehabt, aber vermutlich ist die Anzahl der
Linux-Rechner, auf denen das installiert ist, auch geringer und mehr
fragmentiert (mehr Kernelversionen), sodaß es nicht so aufgefallen ist.
Aber das prinzipielle Problem läßt sich nicht lösen: Ein sich selbst
updatender Virenscanner (selbst updatend muß sein, dass sich der Kunde
nicht selbst drum kümmern muß) mit vollem Zugriff aufs System (muß sein,
damit er alles mitkriegen kann) kann halt immer mal mit einem Bug das
ganze System blockieren, prinzipbedingt. Und ich glaube Crowdstrike hat
sogar damit Werbung gemacht, dass "befallene" Rechner "isoliert" werden
können.
https://www.nachrichten.at/wirtschaft/wirtschaftsraumooe/bankschliessfaecher-sind-kaum-versichert-wer-haftet-fuer-die-schaeden-durch-einbruch-oder-feuer;art467,3330845#:
Das Problem bei solchen Dingen ist, dass implizit Versprechen gemacht
werden, die nicht gehalten werden können. Teilweise geht es bei Firmen
wie Crowdstrike wohl auch nur um irgendwelche
Bullshit-Zertifizierungen, die durch einen Vertrag mit ihnen pro forma
erfüllt sind, fertig zum Abhaken, ohne eigene Anstrengungen. Magie.
Thema XY abgehakt.
/ralph